Andacht zum Lied "Nun lasst uns geht und treten" von Paul Gerhardt (EG 58)
U-Turn auf der Autobahn. Drehung um 180 Grad. Dieses Gefühl habe ich manchmal, wenn ich an die bevorstehenden Krisen und Veränderungen denke. Alles ist im Wandel. Mobilität und Digitalisierung, Pflege und Gesundheitssystem, Klima und Gesellschaft. Der Veränderungsdruck ist immens.
Auch die innerkirchlichen Veränderungen sind groß. Der demographische Wandelt wirkt sich aus, die Menschen suchen neue Formen, nicht nur in Gottesdiensten. Altgedientes hat für viele ausgedient.
Lippenbekenntnisse und gute Vorsätze wie wir sie von Silvester her kennen -ein bisschen weniger Rauchen, etwas weniger Alkohol trinken- genügen hier schon lange nicht mehr.
Vielen Menschen macht das Sorge.
Was mir persönlich gegen die Sorgen vor der Zukunft hilft, ist ein Lied von Paul Gerhardt: „Nun lasst uns geht und treten“. 15 Strophen hat Paul Gerhardt geschrieben, wahrscheinlich noch in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, also in der Zeit einer schweren Krise und einer der größten Katastrophen des Mittelalters.
Als Neujahrsgesang hat er es betitelt, also als ein Lied, das ganz bewusst den Blick nach vorne richtet.
Mit Singen und mit Beten, mutig und getrost können wir Christen auf das Kommende zugehen, so Paul Gerhardt. Warum das so ist? Für Paul Gerhardt ist die Antwort einfach: „Weil Gott unserem Leben bis hierher Kraft gegeben hat“. Und dies nicht nur in wenigen Momenten, sondern dauerhaft, von einem Jahr zum anderen. Die Kraft, die Gott uns in der Vergangenheit gegeben hat, stärkt und also für das Kommende. Bei der Rückschau auf das Vergangene lässt Gerhardt auch Schicksalsschläge nicht außen vor. Ausführlich berichtet er von Not und Trübsal, von Ungewittern, Angst und Plagen, vom Krieg und den großen Schrecken, die die Welt bedecken.
All diesen Wirrnissen der Geschichte stellt Paul Gerhardt allerdings Gott als den Hüter des Lebens entgegen. Er trägt uns durch die Untiefen des Lebens hindurch.
Das, was Paul Gerhardt beschreibt, würde man heute wohl mit dem Begriff Resilienz bezeichnen. Das heißt mit der Fähigkeit des Menschen mit dem Unveränderbaren, dem Nichtgestaltbaren umzugehen ohne daran zu zerbrechen.
Das Wundermittel der Resilienz ist für Paul Gerhard dabei nicht nur die Erfahrung der Bewahrung durch die Zeit hindurch, sondern auch die bewusste Hinwendung zu Gott in Lob und Dank. Wie Mütter bei Unwettern auf ihre Kinder achten, so lässt Gott uns in seinem Schoße sitzen und deshalb sollen wir ihn loben.
Aus diesem Wissen heraus, dass Gott uns immer wieder eine neue Perspektive aufzeigt, können wir unsere Perspektive ändern. Wir müssen vor der Macht des Unverfügbaren nicht sitzen wie ein Kaninchen vor der Schlange. Nein, wir können den Blick selbst in der Not ganz bewusst auf den Gott des Lebens richten.
Und mehr noch. Aus dem Wissen heraus, dass Gott der Hüter meines Lebens ist, kann ich mit Bitten und Fürbitten an ihn herantreten. Zum Beispiel, dass er für die Bedürftigen sorgen möge, wenn ich es nicht kann, oder dass er die Irrenden berät. Diese Fürbitte bringt mich in die Aktivität, selbst in einer ausweglosen Situation.
Ich kann etwas tun. Ich kann getrost ins neue Jahr gehen, selbst in Anbetracht der großen Herausforderungen. Darauf vertraue ich.
Matthias Ströhle
Pfarramt I
Dorothee Sauer
Pfarrerin in Sigmaringen & Codekanin im ev. Kirchenbezirk Balingen
Tel. 07571 / 683014
Pfarramt II
Matthias Ströhle
Pfarrer in Sigmaringen & Beauftragter für Hochschulseelsorge im ev. Kirchenbezirk Balingen
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