Mehrere Tage schon versteckte sich David in der Höhle. Er wusste, Saul, der König, war hinter ihm her. Quer durch die Wüste hatte Saul den Hirtenjungen mit 3000 Mann gejagt, um David zu töten. Die Schlinge hatte sich immer mehr zugezogen. Der Raum war immer enger geworden. Zum Schluss hat er sich in einer Höhle versteckt. Und nun sitzt er da, blickt durch den engen Spalt und sieht seinen Verfolger näherkommen. Doch, o Wunder, Sauls Soldaten räuchern die Höhle nicht aus. Sie ahnen nicht einmal, dass David in der Höhle ist.
Saul geht allein in die Höhle. Er will, so heißt es, seine Notdurft verrichten. Gott hat ihn in Davids Hand gegeben. Doch David will ihn nicht töten. Er lässt ihm sein Leben. Er nutzt die Chance nicht für sich aus. Stattdessen vertraut er auf Gott.
Ob König David wohl an diesen Moment dachte, als er Psalm 31 dichtete? Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht einmal, ob David den Psalm selbst geschrieben hat. Aber wir erfahren viel von der Not des Betenden: „Meine Kraft ist ermattet im Elend, meine Glieder sind zerfallen“, steht dort oder: „Meine Bedränger spotten über mich. Ich bin vergessen wie ein Toter.“ Beim Lesen dieser Sätze tauchen unweigerlich Bilder vor dem inneren Auge auf: Vielleicht ist es ein unschuldig Verfolgter, ein Kranker oder gar ein Flüchtling in seinem Versteck. Man spürt regelrecht die Bedrängung und die Enge, in der sich der Betende befindet.
Aber all das tritt zurück in der Erkenntnis des Betenden: Gott hat meine Füße auf weiten Raum gestellt. Er hat mich aus der Enge, der Angst und der Isolation herausgeholt.
Was für ein schönes Gefühl ist das, wenn man plötzlich wieder festen Boden unter den Füßen hat, durchatmen kann und einen Ausweg sieht. Auch das kennen wir: Da kreisten monatelang die Gedanken um ein Problem und dann plötzlich hat man den rettenden Einfall. Da ist man überladen von der Arbeit im Beruf, und dann kommt der Urlaub. Man kommt raus, wenigsten für kurze Zeit, kann durchatmen, neue Kraft schöpfen, die Perspektive ändern. Und plötzlich weitet sich der Blick und die Probleme werden kleiner.
Was kann uns helfen, Gottes befreiendes und raumgebendes Handeln zu erfahren? Beten kann ein Hilfsmittel sein. Denn im Gebet kann ich alles Belastende abgeben. Ganz besonders gelingt dies, wenn ich mein Gebet singe. Denn gerade im Singen füllt sich meine Seele mit frischer Luft, und ich kann mich fallen lassen in die tragende Kraft der Lieder.
„Wie ein Fest nach langer Trauer, wie ein Feuer in der Nacht, ein off'nes Tor in einer Mauer, für die Sonne auf gemacht.“ Diese Liedzeilen kommen mir in den Sinn, wenn ich mir diesen Moment des von Gott auf die Beine gestellt Werdens vorstelle. Gott will uns aus der Höhle unseres Lebens herausziehen. Er will uns befreien, uns weit machen. Er will, dass es uns gut geht.
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Es gibt viele Eltern, die diesen Vers als Taufspruch für ihr Kind auswählen. Sie wünschen sich, dass das Kind sein Leben als einen weiten Raum erfährt, dass es sich frei entwickeln kann, ohne die Begrenzung durch Sorgen und Nöte. Und ebenso wünschen sie sich natürlich, dass Gott ihnen ein guter Begleiter ist, der ihr Kind gerade in der Bedrängnis nicht fallen lässt, sondern ihm immer wieder neuen Mut macht, das Leben zu meistern. Denn die Eltern wissen natürlich sehr genau, dass jede Freiheit auch Gefahren mit sich bringt. Wer selbst ein Kind hat, der weiß, was es bedeutet loszulassen, und ein Kind seinen Weg gehen zu lassen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Gott uns eben nicht nur den Freiraum gibt, den wir brauchen, sondern eben auch das Versprechen der Begleitung.
Ihr Pfarrer Matthias Ströhle
Pfarramt I
Dorothee Sauer
Pfarrerin in Sigmaringen & Codekanin im ev. Kirchenbezirk Balingen
Tel. 07571 / 683014
Pfarramt II
Matthias Ströhle
Pfarrer in Sigmaringen & Beauftragter für Hochschulseelsorge im ev. Kirchenbezirk Balingen
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