Wahlforum der Kirche und Diakonie zur Kommunal- und Kreistagswahl

„Wohin mache ich mein Kreuz?“, diese Frage stellte Brunhilde Raiser, Geschäftsführerin des Evangelischen Bildungswerkes Oberschwaben und Moderatorin des Wahlforums an den Anfang eines diskussionsfreudigen und informativen Austausches im evangelischen Gemeindehaus in Sigmaringen. Im Blick auf die bevorstehenden Kommunal- und Europawahlen setzten sich sechs Kandidaten der CDU, SPD, Grünen, FDP und einem Vertreter der Freien Wähler den Fragen der acht Geistlichen, Kirchengemeinderäten und Leitenden innerhalb der kirchlichen Dienste aus.

Bereits bei der Beantwortung der beiden Warm- up Fragen zum Auftakt der Gesprächsrunde kristallisierten sich die anschließenden Themenkomplexe heraus rangierten doch bei allen Diskussionsteilnehmern soziale Themen an erster Stelle. „Was möchten Sie unternehmen, um die angemessene Wohnraumversorgung für Menschen mit sozialen Schwierigkeiten sicherzustellen?“ mit dieser Frage eröffnete die Geschäftsführerin der Diakonie Balingen Diana Schrade Geckeler die Fragerunde. Martin Huthmacher (SPD) sieht angesichts der herrschenden Wohnungsnot in Sigmaringen die Stadt als möglichen Bauträger, während Martin Bösch (die Grünen) auf den Bau von Mehrgenerationenhäusern verweist und mit der Frage, wie sich die Kirche diesem Problem gegenüber verhält, den Ball an die Kirche zurückgibt. Pfarrer Matthias Ströhle konterte mit der Aussage, dass gegenwärtig ein leerstehendes Pfarrhaus für wohnungssuchende Studenten umgebaut werde.

Mit dem Fallbeispiel einer Frau, die 41 Jahre als Putzfrau in Vollzeit gearbeitet hat und jetzt mit 750 € Rente nicht weiß, wie sie ihren Lebensalltag gestalten soll, stellte Michaela Fechter von der Sozial- und Lebensberatung der Diakonie ihren Themenbereich, die voranschreitende Altersarmut, vor. Einig waren sich alle Kandidaten darin, einer drohenden sozialen Ausgrenzung betroffener Menschen mit sozialen Komponenten wie einem kostenlosen Bustransfer, preisgünstigem Mittagessen oder dem verbilligten Zugang zu kulturellen Angeboten entgegenzuwirken. In einer Zusammenarbeit der Stadt mit der Tafel sieht Gerhard Stumpp (die Grünen) eine weitere Möglichkeit, während Martin Huthmacher (SPD) auf die Bürgerstiftung der Stadt verweist, die bei Einzelfallentscheidungen eingreift. Das Thema Sonntagsschutz, eine Herzensangelegenheit der Kirche, stellte die Kirchengemeinderatsvorsitzende Christel Lührs-Trugenberger zur Diskussion. Die Einigung auf zwei verkaufsoffene Sonntage sind für Klaus Kubenz (Freie Wähler) ein tragbarer Kompromiss sowohl für die Kirche als auch für den Handel und die Kommune.

In der Verknüpfung verkaufsoffener Sonntage mit kulturellen Veranstaltungen (Fest der Kulturen, Sigmaringen wird fair-trade Stadt) sehen alle Diskussionsteilnehmer den richtigen Weg, denn „die Menschen sind dankbar, wenn sie bespaßt werden“, so der Erklärungsversuch des Ostracher Bürgermeisters Christoph Schulz (CDU) angesichts der Besuchermassen an verkaufsoffenen Sonntagen. Mit Sorge beobachtet die Kirche, so Pfarrerin Dorothee Sauer, dass das Religiöse aus dem öffentlichen Raum immer mehr verdrängt und dadurch christliche Wertevermittlung erschwert wird. „Was bedeutet es für Sie, dass Kirche Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, und wie können Sie vor Ort die Rahmenbedingungen schaffen, in denen Kirche und Staat gut zusammenarbeiten können?“ Einschränkungen wie der aus Datenschutzgründen erschwerte Besuchsdienst kirchlicher Mitarbeiter im Krankenhaus oder die Weigerung der Hochschule der Kirche einen Raum zuzuweisen nannten Gerhard Stumpp (Die Grünen) und Hochschulpfarrer Matthias Ströhle. Mit Beispielen einer guten Zusammenarbeit von Gesellschaft und Kirche konterten Thomas Stehle (FDP) und Martin Bösch (Die Grünen). Sie erwähnten die Notfallseelsorge und die Beteiligung der Stadt am Fidelisfest (Stadtkapelle, Bürgermeister). „Fordern Sie uns, fordern Sie Ihre Beteiligung ein!“ betonten ausdrücklich und engagiert die Stadträte Martin Bösch und Martin Huthmacher.

Das gesellschaftlich relevante Thema Religionsunterricht an öffentlichen Schulen hinterfragte Schuldekanin Amrei Steinfort. Ein klares Ja zum Religionsunterricht bekannten zwar alle Teilnehmer der Fragerunde, beurteilten jedoch die Stellung des Ethikunterrichts unterschiedlich. Während Martin Bösch dieses Fach als Notlösung ansieht plädierte Gerhard Stumpp für eine Wahlmöglichkeit zwischen Religion und Ethik und Christoph Schulz für einen einheitlichen Ethikunterricht ab Klasse 8/9.

Kirchengemeinderätin Priska Armbruster fragte die Teilnehmer nach ihrer Einschätzung bezüglich ausreichender Angebote für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sowie nach möglichen Konzepten zur Umsetzung des Pflegepersonalstärkungsgesetzes vom 1. Januar 2019. Eine Riesenbürokratie, Brandschutzauflagen, sozial unverträgliche Arbeitszeiten und der Einsatz ausländischer Pflegekräfte mit Sprachbarrieren sind für Thomas Stehle (FDP) die Gründe für die mangelnde Attraktivität des Pflegeberufs. „Pflegekräfte im unteren und mittleren Bereich müssen finanziell besser versorgt, gewinnorientierte Pflegeeinrichtungen (GmbH´s) kontrolliert werden“, so Martin Huthmacher. Die Frage nach der Bedeutung des Prinzips der Subsidiarität in der Politik (Aufgaben, Problemlösungen usw sollen jeweils von der untersten Ebene einer Organisationsform übernommen werden) stellte Walter Märkle, der Geschäftsführer von Wohnen plus, Mariaberg. Für den FDP Kandidaten Stehle steht das Prinzip: „So wenig Staat wie möglich, sich selbst helfen ist erstes Gebot“, an erster Stelle. Die Umsetzung des Prinzips zeige sich, so die Kandidaten der anderen Parteien, bei der guten Zusammenarbeit von Staat und Kirche bei den Kindergärten.

Die letzte Fragerunde eröffnete Matthias Ströhle, Pfarrer und u.a. auch Bezirksbeauftragter für Asyl und Flüchtlinge im Kirchenbezirk. „Was möchten Sie tun, damit Integration hier im Landkreis gelingt?“ Während die Kandidaten der FDP, der Freien Wähler und der CDU die extreme Belastung der Bevölkerung durch die LEA, die schleppende Abschiebung kriminell gewordener Flüchtlinge und die zu vielen Integrationsbeauftragten beispielsweise in Ostrach aufzählten, lieferten die Kandidaten der SPD und der Grünen konkrete Ansätze: eine bessere Unterstützung Ehrenamtlicher, Bürokratieabbau und mehr Unterstützung des Landkreises bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Sigmaringen sowie eine gerechtere Umverteilung auf die Landkreisgemeinden.

Am Ende dieser aufschlussreichen Debatte waren sich alle Diskussionsteilnehmer darin einig, dass eine schnelle und unbürokratische Kommunikation zwischen Kirche und Kommune die Grundlage für eine guten Zusammenarbeit ist und dies umzusetzen gilt.

von links: M. Huthmacher, K. Kubenz, M. Bösch, Ch. Schulz, G. Stumpp, Th. Stehle
von links: Sauer, Ströhle, Steinfort, Armbruster, Lührs-Trugenberger, Märkle, Schrade-Geckeler, Fechter.

Foto: E. Weiger


Informationen zur Veröffentlichung

Veröffentlichungsdatum: 15.05.19

Quelle/Autor: E. Weiger
Foto:

Pfarramt I

Dorothee Sauer
Pfarrerin in Sigmaringen & Codekanin im ev. Kirchenbezirk Balingen

Tel. 07571 / 683014

Pfarramt II

Matthias Ströhle
Pfarrer in Sigmaringen & Beauftragter für Hochschulseelsorge im ev. Kirchenbezirk Balingen

Tel. 07571 / 683011

Pfarramt III

Kathrin Fingerle & Micha Fingerle
Pfarrerin und Pfarrer in Sigmaringen

Tel. 07571 / 3430

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