Der Predigttext für den Sonntag, 29. März stammt aus dem dem Hebrärerbrief.
Ich kann die Situation des unbekannten Verfassers dieses Briefes gerade sehr gut nachempfinden. Auch wir in der Gemeinde können nicht gemeinsam Gottesdienste feiern. Stattdessen sind wir über Briefe, Telefon und natürlich auch über digitale Medien miteinander in Kontakt.
Doch auch sonst ist der Predigttext sehr spannend. Wir Pfarrer laden Sie ein, diesen Text nach der sogenannten Vesteräs-Methode zuhause zu lesen, und wenn Sie mit anderen zusammen sind, auch darüber zu diskutieren.
Wir liefern ihnen dazu einige Hintergründe und vier Fragen, über die Sie miteinander oder über die Kommentarfunktion unten, mit uns ins Gespräch kommen können. Herzliche Einladung, auf diese Art und Weise mit eine Andacht zu halten!
12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.
In Vers 13 wird das Thema "Nachfolge" angerissen. Was bedeutet für Christen/für Sie Nachfolge?
Wie stellen Sie sich die zukünftige Stadt, von der Vers 13 spricht, vor?
Jesus Christus ist gestorben, damit wir Menschen mit ihm versöhnt werden (Vers 12). Was bedeutet für Sie Versöhnung mit Gott, mit sich und mit anderen Menschen?
Ist der Verweis auf die „zukünftige Stadt“ nicht eine billige Vertröstung, fast schon zynisch angesichts des Leids in der Welt?
Die Vesteräs-Methode arbeitet mit 4 Schritten. Gehen Sie diese Schritte nacheinander durch:
Schritt 1: Bitten Sie Gott um seine Gegenwart. Dies können Sie mit einem Gebet oder mit einem Lied tun.
Schritt 2: Lesen Sie den Bibeltext laut. Wenn Sie nicht alleine sind, dann bestimmen Sie eine Person, die den Bibeltext liest.
Schritt 3: Lesen Sie den Bibeltext ein zweites Mal persönlich durch. Setzen Sie dann folgende Zeichen an den Textrand:
! Ein Ausrufezeichen für Textstellen, in denen eine wichtige Erkenntnis steckt
? Ein Fragezeichen für Textstellen, die unklar sind
→ Einen Pfeil für Textstellen, die mich persönlich angesprochen haben
Ein Smilie für alles, was Ihnen gefällt
Ein trauriger Smilie für alles, was Sie ärgert oder zum Widerspruch anregt
X Ein X oder Stern für alles, was Sie an ein persönliches Erlebnis erinnert
Schritt 4: Tauschen Sie sich im Anschluss (falls möglich) in der Gruppe darüber aus, welche Textstellen Sie markiert haben und warum.
Wie kommt der Mensch mit Gott in Berührung, und wie gelangt er in seine Nähe? Das ist eine der Grundfragen, des Hebräerbriefes.
Die Antwort: Durch die Vermittlung Jesu, des himmlischen Hohepriesters.
Schaut also auf Jesus, selbst in der Not, das will uns der Verfasser des Hebräerbriefes sagen. Oder, wie er mit eigenen Worten schreibt (Hebr. 10,35-38):
Gedenkt aber der früheren Tage, an denen ihr, die ihr erleuchtet wurdet, erduldet habt einen großen Kampf des Leidens, indem ihr zum Teil selbst durch Schmähungen und Bedrängnisse zum Schauspiel geworden seid, zum Teil Gemeinschaft hattet mit denen, welchen es so erging. Denn ihr habt mit den Gefangenen gelitten und den Raub eurer Güter mit Freuden erduldet, weil ihr wisst, dass ihr eine bessere und bleibende Habe besitzt. Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, auf dass ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. Denn »nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben.
Was ist passiert, dass die Empänger des Briefes in eine solche Krise geraten sind?
Wir können im Brief lesen, dass die Christen im Glauben müde geworden sind. Woran es lag, wissen wir nicht genau. Ermüdungserscheinungen treten im Glauben häufig auf, man ist zuerst begeistert und dann lässt der Glaube nach. Zweifel kommen auf. Sicherlich hatte die christliche Gemeinde auch schon mit Christverfolgungen zu kämpfen. Und weitere Verfolgungen standen vermutlich bevor. Auch das dürfte ein Grund gewesen sein, zu zweifeln.
Für die Bestimmung des genauen Hintergrunds der Krise wäre es hilfreich, zu wissen, wann der Brief geschrieben wurde. Leider können wir das heute nicht genau sagen. Die Forschung vermutet, dass der Brief zwischen 70 und 95 nach Christus geschrieben wurde. Interessant wäre es auch zu wissen, wo die Gemeinde lebte. Auch hier können wir nur spekulieren. Es gibt aber viele Hinweise auf Rom. Ebenso gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass es sich um Judenchristen handelte, weil der Verfasser sehr oft das alte Testament zitiert. Aber auch das ist nicht sicher.
Jedenfalls hat der Verfasser des Briefes seine Gemeinde gut gekannt. Und die Mahnrede war möglich, um die Gemeinde am Glauben zu halten.
Wie begründet man nun die Bedeutung Jesu für das Leben?
Der Verfasser des Briefes macht es dadurch, dass er in vier Abschnitten Jesus mit Schlüsselpersonen und Ereignissen aus der Geschichte der Israeliten vergleicht und dabei jedes Mal aufzeigt, dass Jesus alles bisher Dagewesene ein für alle Mal übertrifft. Jesus ist nicht nur mehr als alles andere, er ist die Erfüllung alles anderen: Jesus Christus ist die unüberbietbare Offenbarung Gottes.
Jesus wird zunächst mit Engeln und der Thora verglichen, dann mit Mose und dem verheißenen Land, dann mit den Priestern und mit Melchisedek und als letztes mit den Opfern und mit Gottes Bund. Jedes Mal hebt dabei der Verfasser hervor, dass Jesus alles andere übertrifft und deshalb alles Vertrauen der Gläubigen verdient. Deshalb sollen sie auch in der Anfechtung dem Glauben treu bleiben.
Denn in Jesus haben sie Gottes Wort selbst gefunden. In ihm haben sie Hoffnung auf eine neue Schöpfung. Er ist der wahre Mittler zwischen Gott und Mensch. Und weil dies so ist, können sie auch wissen, dass Gott sie niemals im Stich lassen wird. Selbst nicht in der größten Anfechtung.
Vers 12:
Wir befinden uns in der Passionszeit, dem Weg Jesu zum Kreuz nach Golgatha, und so erinnert uns auch gleich Vers 12 an den Kreuzestod Jesu.
Den Kreuzestod Jesu versteht der Verfasser ausdrücklich als Opfer ("Dort wird sein Leib als Opfergabe dahingegeben"). Dies ist auch ganz praktisch nachvollziebar, wenn man bedenkt, dass Jesus ja tatsächlich vom Volk geopfert wurde, weil sie einen Aufstand gegen die Römer befürchteten. Theologisch hat das Opfer natürlich noch eine viel umfassendere Bedeutung. In der jüdischen Religion wird durch das Opfer unter anderem der Kontakt zu Gott hergestellt.
Der Autor der Briefes schreibt ausdrücklich, dass Golgatha außerhalb des Stadttores lag. Dies ist interessant, denn im Normalfall wurde das Opfer im Tempel dargebracht. Durch diesen Hinweis auf den Ort "draußen vor dem Tor" verweist der Verfasser auf das jüdische Versöhnungsfest (Vergleiche auch Hebräer 13,11). Die Tiere des Sündopfers, "deren Blut in das Heiligtum zur Entsühnung gebracht wurde" (Lev 16,27), sollten anschließend draußen vor dem Lager verbrannt werden. Indem Jesus draußen vor dem Tor wie ein Verbrecher bei den Ausgestoßenen hingerichtet wird, wird das Volk mit Gott versöhnt.
Die Unterscheidung zwischen draußen und drinnen:
Dies geschieht draußen vor der Stadt. Damit wird deutlich: Das irdische Jerusalem ist nicht die Stadt der ewigen Heimat. Es gibt mehr als das Irdische, das, was wir in der Welt wahrnehmen. Das Eigentliche geschieht im Himmel. Dieser Gedanke wird in Vers 14 nochmals aufgegriffen. Bevor ich zu Vers 14 komme, möchte ich jedoch auch noch auf einen weiteren Punkt eingehen.
Die Neubestimmung von heilig und profan:
Das Heilsgeschehen geschieht nicht im heiligen Raum, im Tempel, sondern am Ort der äußersten Profanität, an einer Hinrichtungsstätte. Wir Menschen sind geneigt, das Göttliche im Schönen zu suchen. Hier werden diese Werte umgekehrt. Gottes Liebe ist eben gerade nicht im Heiligen besonders greifbar, sondern an den unheiligen Orten, dort, wo die Menschen das Gefühl haben, dass Gott eigentlich nicht hingehört.
Vers 13:
In Vers 13 wird der Gedanke, dass Gottes Heil nicht im Heiligen, sondern am profanen Ort geschieht, weiter ausgebaut. Wenn Gott gerade in den Untiefen des Lebens da ist, dann heißt Glaube (Vertrauen/Gottestreue) auch Leidensnachfolge. Für die antiken Römer war das Kreuz eine Schmach. Im Judentum war es ein Fluch. Für die Christen ist es das Symbol des Heils, in welchem Gott sich ganz dem Leiden der Menschen hinwendet und die Menschen dadurch heil macht.
Dies hat Konsequenzen für die Nachfolge. Nachfolge heißt für den Autor "hinausgehen in das Lager und die Schmach zu tragen". Konkret also von der Liebe und Gnade Gottes an den Orten zu erzählen, die gottfern sind. Und mehr noch: Gott ist nicht ein Gott der Starken, der sich nur dann als Gott erweist, wenn es uns gut geht. Er ist vielmehr auch ein Gott der Schwachen, der an denjenigen Orten ist, die gottfern scheinen. Verfolgte Christinnen und Christen kennen diese Situation, wenn sie für ihren Glauben ins Gefängnis gehen müssen. Der seelsorgerliche Ansatz des Verfassers ist hier, dass er deutlich macht, dass Gott in solchen Momenten trotzdem da ist.
Vers 14:
Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt, dann landet man konsequenterweise auch bei der Frage nach der wahren Heimat der Christinnen und Christen. "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir." Mit diesem Vers endet der Predigttext.
Für mich ist dies keine Vertröstung auf das Himmelreich, wenn es mir hier auf Erden schlecht geht. Vielmehr führt der Satz zu einer Ausrichtung meines Lebens. Vom Bezugspunkt der Heimat, die ich bei Gott habe, kann ich mein Leben auf Erden gestalten. Und ich kann mich fragen:
Gelichzeitig macht mir dieser Satz deutlich, dass wir auf Erden nur Gäste sind. Wir sind wie das wandernde Gottesvolk in der Wüste auf einer Wanderschaft. Das heißt:
Wir können loslassen.
Wir können auch in Krisen bestehen.
Wir brauchen uns nicht an Irdisches binden
Wir sind aus Erde gemacht, aber für die Ewigkeit bestimmt.
Der Vers "Wir haben hier keine bleibende Stadt" war 2013 Jahreslosung. Daher gibt es viele Lieder zu diesem Vers. Schauen Sie einfach auf Youtube nach.
Als Kirchenlied schlage ich EG 97 - "Holz auf Jesu Schulter" vor. Es ist das Wochenlied für den Sonntag Judika 29.03.2020.
Dies ist eine vollständige Andacht, die von der württembergischen Landeskirche zur Verfügung gestellt wird. Die Methode zur Annäherung an den Text ist eine andere.
Fotos im Slider:epd bild/Oettel und epd bild/Rietsche
Pfarramt I
Dorothee Sauer
Pfarrerin in Sigmaringen & Codekanin im ev. Kirchenbezirk Balingen
Tel. 07571 / 683014
Pfarramt II
Matthias Ströhle
Pfarrer in Sigmaringen & Beauftragter für Hochschulseelsorge im ev. Kirchenbezirk Balingen
Tel. 07571 / 683011